„Im vergangenen Jahr haben wir eine der bundesweit umfassendsten Fachkräftestrategien mit über 200 zum Teil sehr ehrgeizigen Vorhaben auf den Weg gebracht. Dabei hatten wir vereinbart, Ende 2015 eine Zwischenbilanz zu ziehen und zu überprüfen, wie weit wir gekommen sind. Genau das haben wir heute getan und diese Zwischenbilanz fällt dank der gemeinsamen großen Anstrengungen hervorragend aus“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer anlässlich der Vorstellung der Zwischenbilanz am Ovalen Tisch für Ausbildung und Fachkräftesicherung. „Darüber hinaus haben wir mit den Partnern am Ovalen Tisch frühzeitig Maßnahmen beschlossen und in die Wege geleitet, durch die die Integration von Flüchtlingen in Arbeit und Ausbildung bewerkstelligt werden kann“, unterstrich Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Dabei sollen über „Integrationsketten in Ausbildung und Arbeit" neue Wege bei der kontinuierlichen Begleitung von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit in Rheinland-Pfalz erprobt werden.
Mit der 2014 unterzeichneten Landesstrategie wollen die Partner des Ovalen Tischs erreichen, dass der Fachkräftebedarf in Rheinland-Pfalz auch in Zukunft gesichert ist. Die Strategie deckt alle relevanten Bereiche ab von der Nachwuchssicherung über die Erschließung bislang ungenutzter Potentiale, den Erhalt vorhandener Kompetenzen in den Betrieben bis hin zur Attraktivität der rheinland-pfälzischen Unternehmen im Wettbewerb um Fachkräfte.
Alle Partner haben ein systematisches Vorgehen vereinbart, das sich am Prinzip der Chancengarantie zur Befähigung von Asylsuchenden und Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive für eine berufliche Ausbildung orientiert. Dazu wollen Landesregierung, Arbeitsagenturen, Jobcenter, Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern vor Ort die Integration angehen. Mit Deutschkursen, Berufsorientierung und einer zügigen Kompetenzfeststellung soll Asylsuchenden und Flüchtlingen möglichst schnell zu Praktika, Einstiegsqualifizierung und Ausbildungsplätzen verholfen werden. Damit dies gelingt, sind gute Vorbereitungsmaßnahmen wie das Berufsvorbereitungsjahr an Berufsbildenden Schulen, intensive Sprachförderung oder Berufspraktika notwendig.
Die Chancengarantie ist elementarer Bestandteil einer Prozessbeschreibung für die Integration junger Flüchtlinge in eine berufliche Ausbildung, die unter der Federführung des Wirtschaftsministeriums gemeinsam mit den Partnern des Ovalen Tischs erarbeitet wurde. „Eine Beschleunigung des Integrationsprozesses gelingt nur, wenn die Verfahren für den Zugang der jungen Flüchtlinge strukturiert und koordiniert werden“, unterstrich Wirtschaftsstaatssekretär Uwe Hüser
„Wichtig ist, dass die Partner bereit stehen, um die schulische oder berufliche Qualifikation der Flüchtlinge möglichst schnell nach deren Ankunft festzustellen“, so Arne Rössel, Sprecher der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz. Aus Sicht der Wirtschaft braucht es jedoch in einem weiteren Schritt zudem eine Regelung, die verhindert, dass Flüchtlinge für die Zeit ihrer Ausbildung und zwei Jahre danach nicht abgeschoben werden.
„Mit der Chancengarantie für Flüchtlinge stellen wir einen strukturierten Zugang von Flüchtlingen zum Ausbildungsmarkt sicher, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen“, betonte Rössel und verwies auf eine große Aufgabe, der sich die Partner des Ovalen Tischs in Verantwortung gerne annähmen.
Für die Chancengarantie stehen drei Gruppen junger Flüchtlinge im Fokus: die neu zugewanderten schulpflichtigen Flüchtlinge (16- bis18 Jahre), die anerkannten Flüchtlinge (Beziehende von SGB II-Leistungen zwischen 18 und 35 Jahren) sowie die neu zugewanderten Flüchtlinge (Beziehende von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zwischen 18 und 35 Jahren).
Die Landesregierung hat mit den Partnern des Ovalen Tischs einen umfangreichen Aktionsplan zur schnellen Integration von Flüchtlingen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt am 23. September 2015 beschlossen. Der Aktionsplan beinhaltet neben einem umfangreichen Sprachförderprogramm weitere Elemente. Die Wirtschaftsverbände und Kammern werben bei ihren Mitgliedsbetrieben für Praktika, Einstiegsqualifizierungen und Ausbildungsplätze. Die Handwerkskammern sind bereit, bis zu 400 Praktikums- und Ausbildungsplätze im Handwerk zur Verfügung zu stellen. Die Landesregierung stellt ebenfalls bis zu 200 Praktikumsplätze und auch Ausbildungsplätze für junge Flüchtlinge bereit. Die Bundesagentur für Arbeit wird insbesondere die Aufnahme der Einstiegsqualifizierung und des Berufsorientierungspraktikums vereinfachen.
„Wir müssen alle gesellschaftlichen Kräfte bündeln, um die Flüchtlinge gut aufzunehmen und von Anfang an gut zu integrieren“, sagte Integrationsministerin Irene Alt. Neben dem Erwerb der deutschen Sprache spiele der Zugang in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt dabei eine ganz besondere Rolle.
Arbeitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler betonte, dass Rheinland-Pfalz ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit auf den Weg gebracht habe. „Die Kompetenzerfassung in den Erstaufnahmeeinrichtungen läuft bereits. Nun folgt im Januar der Beschäftigungspilot in allen Landkreisen, der die Flüchtlinge vor Ort über den deutschen Arbeitsmarkt informiert, ihre Kompetenzen erfasst und eine Lotsenfunktion übernimmt.“ Mitte November hatte das Arbeitsministerium zudem zur ersten Sitzung der Steuerungsgruppe „Arbeitsmarktintegration“ eingeladen, der neben den Partnern des Ovalen Tisches weitere zentrale Akteure des Arbeitsmarkts angehören. Bätzing-Lichtenthäler erklärte dazu: „Die Steuerungsgruppe versteht sich als Problemlösungsgremium. Unser Ziel ist es, konkrete Vorhaben so schnell und unbürokratisch wie möglich voranzubringen. Die Tatsache, dass wir diese Herausforderung annehmen, ändert aber nichts daran, dass wir uns mit dem gleichen Einsatz wie bisher um die einheimischen Fachkräfte bemühen.“ Deshalb hätten es sich die Partner auch zur Aufgabe gemacht, den Übergangsbereich zwischen Schule und Beruf stärker zu strukturieren. Bätzing-Lichtenthäler verwies in diesem Zusammenhang auf die hierzu laufende Studie von Prognos, die das Arbeitsministerium in Auftrag gegeben hat.
Staatssekretär Hüser erklärte, dass immer mehr Unternehmen in Rheinland-Pfalz in ihre Arbeitgeberattraktivität investierten, um Fachkräfte zu finden und besser an sich binden zu können. „Gute Fachkräfte zu finden, ist gerade in ländlichen Regionen eine Herausforderung für die kleinen und mittleren Unternehmen“, unterstrich Wirtschaftsstaatssekretär Uwe Hüser. „Um sich besser zu vernetzen und gegenseitig zu unterstützen, haben schwerpunktmäßig im letzten Jahr landesweit 15 Treffen der Regionalen Bündnisse Attraktiver Arbeitgeber stattgefunden.“ Über 600 Unternehmensvertreter und regionale Akteure hätten sich so ausgetauscht.
Im Rahmen der heutigen Sitzung des Ovalen Tischs haben die Partner die 2009 unterzeichnete Rahmenvereinbarung zur Berufswahlvorbereitung und Studienorientierung bis 2020 fortgeschrieben. Darin verpflichten sie sich unter anderem dazu, die Berufs- und Studienorientierung an allen weiterführenden Schulen in Rheinland Pfalz zu intensivieren und nachhaltig zu gestalten. Bildungsministerin Reiß: „Kompetent in eigener Sache – das ist das Ziel des ab 1. Februar 2016 erstmals verbindlichen ‚Tages der Berufs- und Studienorientierung‘ an allen weiterführenden Schulen in Rheinland-Pfalz. Bei der Suche nach dem richtigen Ausbildungs- und Berufsweg spielt die Schule eine wichtige Rolle. Aber ohne das Wissen der Expertinnen und Experten, die zusammen am Runden Tisch sitzen, ist eine zeitgemäße Beratung nicht möglich. Die verbindliche und systematische Einbindung der Partner bei der Umsetzung des ‚Tages der Berufs- und Studienorientierung‘ ist daher ein wichtiges vereinbartes Ziel. Eine gemeinsame, fundierteBerufs- und Studienberatung trägt entscheidend zur Fachkräftesicherung bei und macht junge Menschen kompetent in eigener Sache, wenn es um ihre Zukunft geht.“
Auf möglichst viele Fachkräfte von übermorgen freut sich die Wirtschaft, die in der Bilanz des Ausbildungsjahres 2014/2015 einen Rückgang der gemeldeten Bewerber für einen Ausbildungsplatz von 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr beklagt.
„Die beste gesellschaftliche Integration speziell junger Flüchtlinge ist die Aufnahme einer Ausbildung“, betonte Heidrun Schulz, Leiterin der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit und ergänzte: „Dieser Aufgabe stellen sich die Arbeitsagenturen und kooperieren dazu mit vielen Partnern aus Politik und Wirtschaft. Der Einstieg in die Arbeitswelt wird seitens der Arbeitsagenturen mit Kompetenzfeststellungen, beruflichen Informationen und Orientierungsmaßnahmen, mit individuellen Beratungsgesprächen und Vermittlungen in Praktika und Ausbildungsstellen unterstützt. Dadurch können wir die einmalige Chance nutzen, motivierte und lernbereite junge Menschen als Fachkräfte der Zukunft zu gewinnen.“
Gerade im Handwerk sind die Chancen auf eine passende Lehrstelle, gute Beschäftigungsperspektiven und vielfältige Karrierealternativen so gut wie noch nie. Für Kurt Krautscheid, Sprecher der rheinland-pfälzischen Handwerkskammern, zeichnet sich derzeit bereits ein leichter Trend hin zur Berufsausbildung im Handwerk ab: „Meister statt Master ist deshalb für Jugendliche und Eltern kein Geheimtipp mehr, sondern eine vielversprechende Perspektive.“
Auch das im August in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit und dem rhein-land-pfälzischen Wirtschaftsministerium begonnene Projekt „Flüchtlingsnetzwerker“ bietet jungen Menschen, die in Deutschland politisches Asyl beantragen, Wege zur Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Rheinland-Pfalz begrüßte ausdrücklich die Bemühungen der Landesregierung im Bereich Integration in Ausbildung und den Arbeitsmarkt für Geflüchtete. Vieles sei hier in kürzester Zeit auf den Weg gebracht worden. Dabei hätten Gewerkschaften, Arbeitgeber und die Politik Hand in Hand gearbeitet. Beispielhaft führte der DGB etwa den Tarifvertrag „Integration“ der IG Metall oder das Programm „Start in den Beruf“ der IG BCE an, die jungen Menschen neue Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt eröffnen und die jetzt unbürokratisch und schnell auch für junge Geflüchtete geöffnet werden. Der DGB betonte, dass an diesem Engagement beim weiteren Ausbau der Sprachförderung und der Berufsorientierung angeknüpft werden müsse.